Widerruf Immobiliendarlehen

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einer aktuellen Entscheidung eine verbreitete Klausel in Kreditverträgen hinsichtlich der Widerrufsbelehrung für EU-Richtlinienwidrig erklärt. Wenn es um das Thema Widerruf Immobiliendarlehen geht, reden wir schnell von mehreren 10.000 Euro. Das könnte viele zehntausend Hypothekendarlehen der letzten 10 Jahre betreffen und ein neues “wichtiges” Recht zum Widerruf Immobiliendarlehen begründen. Der Bundesgerichtshof (BGH) ist allerdings anderer Meinung. Es bleibt spannend, ob hier ein neues Widerrufsrecht entstanden ist.

Hintergrund

In der Entscheidung des EuGH ging es um ein Immobiliendarlehen einer Sparkasse über 100.000 Euro mit einem bis ins Jahr 2021 gebundenen Sollzinssatz. In dem Darlehensvertrag hieß:

„Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB … erhalten hat. …“

Der Verweis in einer Widerrufsbelehrung auf § 492 Abs. 2 BGB, welcher selbst wiederum auf weitere Rechtsvorschriften verweist, stehe laut EuGH im Widerspruch zur Richtlinie 2008/48/EG. Letztlich könne ein Verbraucher auf der Grundlage des Vertrags weder den Umfang seiner vertraglichen Verpflichtung bestimmen noch überprüfen, ob der von ihm abgeschlossene Vertrag alle nach dieser Bestimmung erforderlichen Angaben enthalte und erst recht nicht, ob die Widerrufsfrist für ihn zu laufen begonnen habe (EuGH, Urteil vom 26.03.2020 – C-66/19). Der EuGH stellte sich damit klar und deutlich gegen die Auffassung des Bundesgerichtshofes, der solche Widerrufsbelehrungen bereits als ordnungsgemäß erachtet hatte. Und seine Meinung wenige Tage nach der EugH-Entscheidung erneut bestätigt hat (BGH-Beschluss vom 31. März 2020 – XI ZR 581/18).

EuGH gegen BGH – wer hat recht?

Inhaltlich haben beide recht – jedenfalls ein bisschen. Die Anforderungen der EU-Richtlinien an eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung sind sehr streng. Zum einen müssen Widerrufsbelehrungen und insbesondere die darin angegebene Widerrufsfrist „in klarer und prägnanter Form“ angegeben werden. Der „Einbau“ der Widerrufs- und Fristbelehrung in den Fließtext des Darlehensvertrages, wie in der Vergangenheit oft  geschehen, reicht da nicht aus. Außerdem darf hinsichtlich der Pflichtangaben nicht nur auf Paragrafen verwiesen werden, die ihrerseits wieder auf andere Vorschriften verweisen, denn diese „Kaskadenverweise“ sind für Verbraucher nicht übersichtlich genug.

Offenbar ist das Thema Widerruf Immobiliendarlehen strittig. Ist der Verweis auf § 492 BGB nun klar genug (so der BGH) oder unklar und unwirksam (EuGH)? Da sich die Gerichte uneins sind, hängt das im wesentlichen davon ab, wer zuständig ist – EuGH oder BGH. Auch da sind sich die Gerichte nicht einig. Der EuGH hat in seiner Entscheidung ausgeführt, dass er auch für die Auslegung von nationalem Recht zuständig ist, wenn Unionsvorschriften aufgrund eines Verweises im nationalen Recht auf ihren Inhalt gelten. Zur Sicherstellung einer einheitlichen Auslegung des Europarechts sei dann auch der EuGH zuständig. Nach Ansicht des BGHs handelt es sich bei der Widerrufsbelehrung für Hypothekendarlehen um rein nationales Recht.

Es geht also gar nicht um die Auslegung von Europarecht, und damit ist der EuGH nicht zuständig. Eigentlich stünde  zwar europäisches Recht über nationalem Recht. Aber die deutschen Banken können sich bei ihren Widerrufsbelehrungen auf die sogenannte „Gesetzlichkeitsfiktion“ verlassen. Dies bedeutet: dadurch, dass die Musterbelehrung im Gesetz niedergeschrieben ist, entfaltet sie eine Schutzwirkung für die Verwender, soweit sie den gesetzlichen Mustertext für ihre Widerrufsbelehrung unverändert verwendet haben. Eine Auslegung im Sinne des EuGH gegen den Wortlaut eines gesetzlichen Mustertexts ist einerseits problematisch.

Andererseits war der EuGH in seiner Entscheidung relativ eindeutig. Es wird sich also zeigen, wie in den Verfahren hier in Deutschland, zu denen der EuGH zurückverwiesen hat und insbesondere dann der BGH entscheiden wird. Es könnte somit sein, dass trotz der eindeutigen Entscheidung des EuGH an der „Gesetzlichkeitsfiktion“ der Musterbelehrungen festgehalten wird.

Anders liegt der Fall dagegen, wenn Banken und Sparkassen in ihren Verträgen Änderungen an der Widerrufsbelehrung vorgenommen haben. In diesen Fällen hat das Urteil des EuGH erhebliche Konsequenzen, da nun das Recht zum Widerruf Immobiliendarlehen weiterhin besteht, somit ein neues „ewiges Widerrufsrecht“ entstanden sein dürfte.

Mögliche Konsequenzen bei Recht zum Widerruf Immobiliendarlehen

Alle Immobilienfinanzierungen, die nach dem 11. Juni 2010 – dem Inkrafttreten der Verbraucherkreditrichtlinie – abgeschlossen wurden, können auf Widerrufbarkeit überprüft werden. Hierdurch lässt sich viel Geld sparen, weil die Zinsen in der Zwischenzeit deutlich gefallen sind:

Zinsen für 10-jährige Hypothekendarlehen in den letzten 15 Jahren
Zinsen für 10-jährige Hypothekendarlehen in den letzten 15 Jahren

Das vor allem, weil bei Widerruf keine Vorfälligkeitsentschädigung entsteht. Bei einem immobiliendarlehen über 200 TEUR, das vor 10 Jahren abgeschlossen wurde, lassen sich mehrere zehntausend Euro Zinsen sparen. Ob das Widerrufsrecht tatsächlich besteht, hängt jetzt von den Gerichten ab. Es bleibt spannend, wie der Konflikt zwischen BGH und EUGH weiter gehen wird. Wir werden das Thema Widerruf Immobiliendarlehen jedenfalls im Blick behalten.

Wenn du noch unentschlossen bist, was du unabhängig vom Schwerpunkt Widerruf Immobiliendarlehen eigentlich genau machen willst, findest du hier unseren betongold-check:

Hinweis: Bei unseren Beiträgen handelt es sich um rein redaktionelle Inhalte, die keine Rechtsberatung darstellen.

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